Planungen im Urspringener Judenhof
Am 13. Januar 2021 fand ein Ortstermin im Judenhof statt, bei dem von Seiten der Gemeinde Urspringen und des beauftragten Architekturbüros mit der Vorstandschaft des Förderkreises die künftige Gestaltung des Judenhofes diskutiert wird. Auf der Grundlage dieser Diskussion soll die Planung erstellt werden. (15.01.2021)
Zum Urspringener Judenhof siehe Der Urspringener Judenhof (17. April 2020)
Main-Post 07. April 2020
Jüdischer Hausbesitz in Urspringen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Der jüdische Hausbesitz in Urspringen lässt sich anhand des im Pfarrarchivs vorhandenen Buches „Familien in Urspringen“ genau feststellen. Dieses Buch wurde um 1820 angelegt und bis ca. 1850 weitergeführt.
Als jüdischer Besitz werden folgende Besitznummern aufgeführt: 18, 19, 20, 21, 22a, 22b, 23a, 23b, 24a, 24b, 33a, 33b, 36, 37, 40, 41, 43a, 43b, 48, 63, 66, 67, 106, 110, 115b, 116, 117, 118, 123, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 140, 155, 156, 157a, 157b, 158, 159, 160a, 160b, 165, 166. Diese Besitznummern finden sich auch auf der um 1840 angefertigten Uraufnahme von Urspringen. Überwiegend handelt es sich um Kleinstanwesen ohne Nebengebäude, da die Juden vom Betrieb der Landwirtschaft ausgeschlossen waren.
Der Hausbesitz ist in die beigefügte Karte eingetragen, für welche die Karte der Bayerischen Vermessungsverwaltung (geoportal Bayern Bayernatlas) als Grundlage genutzt wurde.
Die jüdische Gemeinde in Urspringen
Urspringen war nur eine der ehemals zahlreichen jüdischen Gemeinden des heutigen Landkreises Main-Spessart. 1933 bestanden jüdische Gemeinden in Adelsberg, Arnstein, Burgsinn, Gemünden, Heßdorf, Homburg, Karbach, Karlstadt, Laudenbach, Lohr, Marktheidenfeld, Mittelsinn, Rieneck, Thüngen, Urspringen und Wiesenfeld.
Im gemischt-herrschaftlichen Urspringen sind jüdische Einwohner ab der Mitte des 16. Jahrhunderts nachgewiesen. Sie lebten nach Sonderrecht und unter Schutz der Dorfherrschaft und beeinflussten schon von ihrer Zahl her wesentlich das Leben der gesamten Gemeinde.
1807 wohnten in Urspringen insgesamt 148 Juden in 33 Familien bzw. Haushalten; 111 (25 Familien) unterstanden den-Grafen von CasteIl, 37 (8 Familien) den Grafen von Ingelheim. Wie jede jüdische Gemeinschaft einer gewissen Größe besaß die Urspringener Judenschaft alle zum Kultus erforderlichen Einrichtungen: eine Synagoge, die sogenannte Judenschule und die Mikwe, das jüdische Ritualbad. Die Verstorbenen wurden auf dem nicht weit entfernten Verbandsfriedhof in Laudenbach beerdigt.
Als Baujahr für die neue Synagoge in Urspringen ist das Jahr 1803 überliefert. Möglicherweise hatten die von der französischen Revolution ausgelöste Umgestaltung der bisherigen staatlichen Ordnung und die nicht unberechtigte Hoffnung auf eine Besserung der Lebensverhältnisse die jüdische Bevölkerung zu diesem Bau motiviert. Errichtet wurde die Synagoge anstelle eines älteren Anwesens, möglicherweise der älteren Judenschule, wo sich jüdischer Besitz konzentrierte, in der Judengasse bzw. dem Judenhof. Allem Anschein nach fanden beim Bau der Synagoge Steine aus dem 1802 abgebrochenen Teil des Urspringener Schlosses Verwendung.
1835 waren in Urspringen 38 jüdische Familien zugelassen. Über 200 Seelen (1833: 224) und damit rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung betrug die jüdische Bevölkerung zwischen 1820 und etwa 1870. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung wurde 1829/30 eine eigene israelitische Volksschule errichtet, die 1880/81 noch erweitert wurde. 1860 gestaltete man das Innere der Synagoge um und schuf so mehr Sitzplätze.
Seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts nahm auch in Urspringen die jüdische Bevölkerung stark ab. Gründe waren die Auswanderung und vor allem aber Abwanderung in die Städte. Um 1920 wohnten nur noch etwa 100 Juden in Urspringen.
Die eigene Schule wurde daher um 1916 aufgegeben. Dies ist auch ein Zeichen der Assimilation, der Anpassung an die christliche Nachbarschaft, und ebenso Zeichen der Identifikation mit dem deutschen Nationalstaat, für den auch die jüdischen Bürger im Ersten Weltkrieg ihr Opfer gebracht hatten. Aus Urspringen fielen im Krieg 1914-18 die jüdischen Bürger Hermann Samuel, Friedrich Philipp Freudenreich, Louis Leopold, Albert Adolf Ackermann, Sigmund Samuel und Adolf Adler. Ihre Namen sind auf dem Kriegerdenkmal an der Außenmauer der Kirche verzeichnet.
1933 war die jüdische Gemeinde in Urspringen auf 78 Mitglieder geschmolzen. In den folgenden Jahren sah sie sich zunehmend mit Diskriminierung und Verfolgung konfrontiert. Von wenigen Ausnahmen abgesehen zerbrachen die Gemeinsamkeiten am Ort. Die Errichtung eines Umschulungslagers für jüdische Landwirte und im Jahre 1938 die Wiedererrichtung einer eigenen israelitischen Schule in Urspringen, der größten jüdischen Gemeinde im damaligen Landkreis Marktheidenfeld, scheiterten. Die 1932 renovierte Synagoge wurde am 10. November 1938 aufgebrochen und geschändet; jüdische Betstunden waren von da an verboten. Ende April 1942 wurden die noch in Urspringen wohnenden 42 jüdischen Bürger aus Urspringen über Würzburg nach Izbica bei Lublin deportiert. Sie wurden später vermutlich im Vernichtungslager Belzec ermordet. So auch auf der Eingangstüre der Synagoge. Inzwischen wird das Vernichtungslager Sobibor für wahrscheinlicher gehalten.
Vortrag von Dr. Leonhard Scherg am 17. April 2015 Die jüdische Gemeinde in Urspringen
Die Opfer der Deportation vom Ende April 1942.
Auszug aus dem „Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im Gebiet des Landkreises Main-Spessart 1933-1945, Zusammengestellt von Martin Harth, Urspringen 1991, S. 16-18
Gedenkbuch Urspringen
Informationen zu weiteren jüdischen Gemeinden im Landkreis Main-Spessart finden Sie in unserem „Handblatt Exkursion“ und im „Handblatt Nr. 1„